Ich werde 2 Tage der Woche im Kinderkrebskrankenhaus, 2 Tage im Kinderheim für Benachteiligte und 1
Tag in der Geschichtswerkstatt arbeiten.
Außerdem besuche ich noch einmal die Woche Oma Anna und habe dann
hoffentlich neben dem Sprachunterricht noch etwas Zeit um auch die Mädels aus
dem Erwachsenenheim für Benachteiligte regelmäßig zu besuchen.
Am Abend vorher war mir zum Glück noch nicht klar, dass am Morgen
mein erster Arbeitstag beginnen würde, denn sonst hätte ich sicher schlecht
geschlafen. Es macht Sorge, dass man die Sprache nicht beherrscht und immer
wieder stellt man sich die Frage, wie das alles funktionieren soll. Auch der
Gedanke, dass es schon viele Freiwillige vor uns mit ähnlich schlechten
Sprachkenntnissen gut bestanden haben beruhigt dann nicht sehr. Auf jeden Fall
konnte ich so wenigstens einigermaßen gut schlafen, um dann dennoch müde in den
Tag zu starten. Die ersten 4 Stunden auf der Mädchenstation des Kinderheims,
aufregend! Doch bevor es losgeht bekommen wir erst mal eine Einweisung, die ist
zwar laut Johanna schon wesentlich ausführlicher als die Vorjahre aber dennoch
nicht unbedingt hilfreich. Der erste Schock kommt als wir Philipp auf die
Jungsstation bringen, denn dort sitzt ein Kind mit gefesselten Beinen
angebunden an einen Stuhl und schreit. Viele der Jungs sind grade damit
beschäftigt ein Computerspiel zu installieren, irgendein Ballerspiel, da sind
sie ganz wild drauf.
Danach geht es auf die Mädchenstation. Am Anfang fühle ich
mich nicht wohl. Ich sitze mit zwei Pädagoginnen und einem Mädchen(Sveta) im Bastelzimmer und bastele Rosen aus
Knetmasse während die Pädagoginnen ein Bild einpacken. Als dann Sveta auch noch
geht, frage ich mich wirklich welche Rolle ich hier grade einnehme und ob für
mich/fürs einpacken wirklich 2 Pädagoginnen nötig sind, wenn draußen jede Menge
Mädchen etwas Abwechslung gebrauchen könnten. Zum Glück kommen dann einige
Kinder in den Raum und ich muss meine Rosenproduktion nicht mehr alleine fortsetzen,
sondern bekomme Hilfe. Gemeinsam macht das ganze doch auch viel mehr Spaß!
Während ich knete, rolle und forme beobachte ich erstaunt wie präzise und
wunderschön Sveta ihre Rosen formt und merke, dass meine daneben eher etwas
mickrig und flädderig aussehen. Als dann auch noch ein Mädchen singt und ein
anderes schnippst wird mir endgültig klar, dass sie eigentlich so vieles so gut
können was ich nicht kann und es doch wirklich eine Frechheit ist, dass nur
weil sie das „normale“ Leben vielleicht nicht so gut können, weggesperrt
werden.
Auch an der frischen Luft umzäunen uns dicke Mauern über die
man nicht gucken kann und wer das eingezäunte Mädchengelände verlässt wird mit
harten Worten und einem (zu) festen Zug an der Kleidung wieder zurückbefördert.
Manchmal aber ist es die Anstrengung nicht einmal Wert und andere Kinder müssen
die „Jagd zurück“ in die Hand nehmen und dabei spielt die Hand buchstäblich
eine große Rolle. Doch zumindest können die Kinder etwas raus, nur Schade dass
man wegen des Essens wieder rein muss. Und schon ist mein 1. Arbeitstag beendet
– Ich habe Hunger, Rückenschmerzen, bin müde und die Gedanken an das Gesehene
lassen mich nicht los.
Noch lange und trotz starker Ablenkung durch den Besuch bei
den Mädels aus dem Erwachsenenheim geht mir ein Kind nicht aus dem Kopf. Es
heißt sie sei Autistin. Anfangs dachte ich sie sei vielleicht das Kind einer
der Erzieherinnen, denn sie wirkt so normal. In ihrem Kleidchen mit der kleinen
Palme auf dem Kopf, die sie sich selbst mit der Bürste wieder zurecht macht,
wenn sie mal nicht mehr sitzt, wirkt sie nicht anders als ich es wohl als Kind
getan habe. Genau erinnere ich mich noch an die Fotos von mir in meinem
fliederfarbenen Kleid mit der Palme auf dem Kopf, vielleicht war ich damals
noch etwas jünger, aber 1-2 Jahre später bin ich sicherlich genauso rumgerannt,
wollte auf Bäume klettern, mit den anderen spielen und kuscheln. Der
Unterschied: Ich bin mit meinen Geschwistern behütet in einer Familie aufgewachsen,
wurde gefördert und auch wenn mal nicht alles so schnell ging wie bei anderen
Kindern wurde mir geholfen; sie wächst in einem Kinderheim auf, wo viele
bereits an Hospitalismus leiden und nie genügend Leute da sind um ein behütetes
aufwachsen zu garantieren, ohne Eltern. Sie spricht nicht so wie andere Kinder
in dem Alter, das stimmt, aber mit etwas Hilfe könnte sie fast „normal“ sein,
würde beinahe in „unsere Welt“ passen, doch das wird nicht passieren.
Traurige Realität: Egal wie begabt die Kinder sind oder was
für Fortschritte sie machen dort kommen sie nur raus um ins Erwachsenenheim
gebracht zu werden.
Unsere Aufgabe ist es, den Kindern die Zeit so wunderbar und
behütet wie irgend möglich zu machen, denn das haben sie mehr als verdient!
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