1. Woche - Endlich ist es soweit, die erste Woche arbeit
geht los. Auch wenn es schön war alles kennenzulernen und ein bisschen Zeit zu
haben ist das der Moment auf den wir alle gewartet haben.
Sonntag – Johanna reist ab, ab jetzt sind wir auf uns
gestellt und das macht es irgendwie wirklich aufregend.
Montag – Der erste Tag im Kinderkrebskrankenhaus. Um 9Uhr
geht’s gemeinsam mit Julia los Richtung Bus. Wir müssen einmal quer durch die
Häuserblocks bis zur Bushaltestelle. Gemeinsam schaffen wir es, aber alleine
hätte ich den Weg wohl nicht mehr gefunden. Auch die Busfahrt ist spannend, denn
irgendwie kam uns der Weg das letzte mal nicht so lange vor und wir fragen uns,
ob wir wirklich noch richtig sind. Doch dann geht es links um die Kurve und der
große Blau-Weiße Bau erscheint in unserem Blickfeld. Nervös und gespannt was
mich erwartet steige ich aus und gemeinsam laufen wir zu unserem neuen
Arbeitsplatz.Erst rechts zu den Umkleiden, erklären, dass wir die deutschen
Freiwilligen sind und mit einem Schlüssel an unseren Schrank. Dummerweise sind
die Schlüssel eine Art Generalschlüssel und funktionieren an jedem Schrank der
nicht extra gesichert ist, sodass anstelle von Spielen und Bastelmaterial, ein
weißer Ärztekittel und eine Handtasche in meinem Blickfeld erscheinen. Nebendran
findet sich dann aber doch noch das was für das nächste Jahr uns gehört,
inklusive wunderschöner Schlappen!
Mit
neuer Fußbekleidung machen wir uns auf in den 5.Stock wo wir unsere
Ansprechperson treffen, dann bekommen wir meine Station gezeigt und werden auch
gleich mal mit einem Mädchen, dass zum Glück etwas Englisch kann für eine Weile
allein gelassen. Noch ein bisschen Sightseeing und Kinder treffen und dann darf
ich meine erste Runde UNO spielen.
Nachdem Julia und Larissa auf die
Infektionsstation verschwinden, verlässt uns die Motivation zum UNO spielen und
ein Mädchen dass noch etwas Englisch kann schnell, sodass nur noch
Mascha und ich und eine sehr große Sprachbarriere übrigbleiben.
Aber das ist
doch alles kein Problem, denn jetzt bekomme ich mehr als eine Stunde lang
Russischunterricht. Что это? – Was ist das?
Nachdem ich Jahreszeiten und das
halbe Gesicht gelernt habe, gibt es für uns eine kleine Pause mit Tee und
Windbeutel, bis Mascha kommt um mit mir, anhand von Kartoffeln denen man Augen,
Nase, Schuhe, Hüte, etc. anstecken kann, noch ein bisschen weiter zu lernen.
Damit ist der erste Arbeitstag schon wieder vorbei und ich recht erschöpft.
Dafür ist allerdings keine Zeit, denn es wartet noch die erste Russischstunde
auf mich.
Kurz zu Hause verschnaufen und dann mit dem Bus den ganzen Prospekt
entlang, über die Brücke und dann die übernächste raus. Pünktlicher als ich
erwartet habe stehe ich vor Galinas Tür - immer noch total erschöpft. Doch
irgendwie schafft sie es mich mit schwarzem Tee, Gebäck und ein bisschen
einfacher Unterhaltung auf Russisch wieder fit und motiviert zu bekommen,
sodass wir dann noch über 2 Stunden gut arbeiten können. Zum Abschluss des
Tages geht es dann noch mit einigen Schwierigkeiten zum Essen zu den Jungs und
schließlich müde und erschöpft ins Bett!
Dienstag - Es
verspricht ein entspannter Tag zu werden, um 11 soll ich bei meiner Babuschka
putzen und dann um 3 zum Deutschclub in der Geschichtswerkstatt. Es kommt etwas anders.
Als ich Babuschka Anna anrufe sagt sie mir ab. Sie habe es
schon am Montagabend versucht, aber es war niemand zu Hause: „Wo warst du so
spät noch, sag!“ :o)
Nun gut, damit habe ich etwas Zeit und die nutze ich um
meine Russisch Hausaufgaben und viele sinnlose Dinge zu tun. Um 3 stehe ich
dann aber trotz Motivationsprobleme in der Geschichtswerkstatt und mit einem
Gemisch aus Russisch und Deutsch unterhalte ich mich etwas mit den alten
Menschen die dort Deutsch lernen. Schließlich kommt auch die Lehrerin Dascha
und es geht los. Eine Vorstellunsgrunde, etwas Grammatik und ein bisschen lesen
und am liebsten haben sie es, wenn ich Ihnen vorlese, dann bewundern sie wie
gut das klingt. ;o) Anschließend gibt es noch Kaffee, Tee und Kuchen und dann
löst sich die Runde langsam auf. Ich helfe noch aufräumen und frage nach dem
Putzmittel für meine Babuschka bevor auch ich nach Hause gehe.
Abends geht es
dann noch mit Julia und Ira zum Fußball, aber das ist eine andere Geschichte.
Mittwoch – Heute läuft der Weg nach Barawljany schon
wesentlich routinierter ab und kaum angekommen geht es auch gleich wieder los.
Ich soll einem kleinen Jungen helfen bei der Rehabilitation, ein bisschen mit
ihm spielen, dass er die Hand bewegt, vielleicht laufen. Gemeinsam mit Mascha
malen wir ein Bild, dann kommt sein Vater und nachdem wir das Bild aufgehängt
haben, lassen wir die beiden alleine. Mascha und ich spielen ein Spiel, machen
etwas Blödsinn, unterhalten uns mit Händen und Füßen und machen dabei immer ein
bisschen Russischunterricht. Dann kommt die Mutter von Maschas Bettnachbar
dazu, sie kann einige Wörter auf Deutsch und irgendwie kommt Mascha dann auf
Hitler, oder „Gitler“ wie sie ihn nennt. Während sie anfängt ihn zu malen und
Fragen stellt, probiere ich ihr zu erklären, dass er schlecht war und zu meinem
Erstaunen versteht sie, denn nachdem wir uns eine Weile mit dem Thema
beschäftigt haben, fängt sie an das Bild von ihm mit schwarzem Filzer zu übermalen
und als sie bemerkt, dass man das Bild von der Rückseite noch erkennt wird auch
diese Seite übermalt und schließlich gibt sie mir das Blatt, damit ich es in
viele kleine Teile zerreiße.
Ab jetzt bekomme nicht nur ich Russisch Unterricht, sondern Mascha fragt auch immer wieder was das auf Deutsch heißt. Ein schon etwas älterer Junge (19 glaube ich) gibt auch einen Beitrag, das einzige deutsche Wort was er kann: *****sohn.
Anschließend nehmen Mascha und ich in Larissas Büro noch
Menschen auseinander und versuchen sie wieder zusammen zu bauen, aber
schließlich geben wir wegen des Mittagessens auf. Nach Tee und Keksen besuche
ich noch ein kleines Mädchen und male mit ihr etwas. Also besser gesagt, sie
malt und ich probiere irgendwie ein paar Wörter zu sagen. Bevor ich gehe
schenkt sie mir noch eins der Bilder.
Auch heute habe ich nach einer kurzen Pause Sprachunterricht. Beim Tee
stammle ich etwas von dem Fußballspiel und dann geht es an die Adjektive. Ich
beschreibe meine ganze Familie und was alle so machen. Als Hausaufgabe für das
nächste Mal darf ich das dann nochmal anhand eines Bildes machen.
Die Zeit geht
nicht vorüber, als ich gehen kann entspricht das Wetter meinem Zustand: es
gewittert und schüttet. Beinahe apathisch sitze ich im Bus und endlich zu Hause
angekommen lege ich mich gleich mit Wärmflasche, Schmerztablette, Rückensalbe
und Sonnenblumenkernen ins Bett. Man wird halt doch alt, da machen die Gelenke
solches Wetter einfach nicht mehr so mit. ;o)
Donnerstag – Es verspricht ein harter Tag zu werden, der
erste richtige Arbeitstag im Kinderheim. Es scheint beinahe mein Glückstag zu
sein, denn obwohl die Ansagen im Bus undeutlich sind und ich nicht weiß wo ich
bin, steige ich zufällig an der richtigen Station aus, der nächste Bus kommt
schon um die Ecke gebogen und auch auf den 3. muss ich nicht einmal 2 Minuten
warten. Leider bleibt der Tag nicht ganz so glücklich. Als ich auf der
Mädchenstation ankomme sind die Pädagogen grade am Tee trinken und quatschen.
Ich ziehe mich um und gehe raus zu den Kindern. Gegen halb 10 fangen dann die
„Klassen“ an. Ich setze mich zum Papierblumen basteln und malen. Allerdings
stellt sich das als eher schwierig raus, denn irgendwie gibt es kaum Stifte die
noch spitz sind, aber kein Problem ich kann ja spitzen und nachdem die Kinder
neben mir auch noch Spitzer bekommen, spitzen wir einfach für eine Ewigkeit
Stifte. Ina ist glücklich, dass sie machen darf was die anderen auch machen und
Vika singt ein bisschen vor sich hin. Später lässt sie mich immer und immer
wieder ihren Zopf neu machen und dann führen wir gefühlte 20mal eine
„Unterhaltung“ (sie kann nicht richtig russisch, sondern redet eine
Fantasiesprache, aber ich kann ja auch nicht mehr) auf dem Gang. Einige
Klatschspiele und Äffchen-/bzw. Schildkröten Begegnungen später (ich nehme
jetzt immer meine beiden Fingerpuppen mit) war die Zeit auch schon wieder rum.
Tatsächlich ging es wirklich schnell vorbei und trotzdem bin ich fertig, sitze
in der Sonne, warte auf die Jungs und habe das Gefühl irgendwie Entspannung zu
brauchen.
Die gibt es nicht wirklich, denn wir gehen gemeinsam eine
Kleinigkeit essen und fahren dann ins Erwachsenenheim. Es ist eine Katastrophe,
wir müssen einmal quer durch die Stadt und schaffen das auch ohne Probleme.
Erst als wir eigentlich schon da sind und nur noch ein kleines Stück weiter
müssen sind wir aufgeschmissen. Keiner kann sich mehr an die Busnummer
erinnern, wir nehmen den falschen. 2Stunden haben wir vom Kinderheim zum
Erwachsenenheim gebraucht. Das ist eine zu viel! Und dann fängt der Spaß erst
an: Wegen Renovierung wurden alle Bewohner eine Etage hoch gelegt, dort ist
zugesperrt, aber nach einem Klingeln bekommen wir aufgemacht. Als wir spazieren
gehen wollen, werden wir an die Direktion verwiesen und ab da nahm das Übel
seinen Lauf.
Erst musste Philipp alleine zum Direktor und der war wohl nicht
sehr freundlich, dann waren wir alle zusammen bei der Direktorin. Sie will mit
unserer Koordinatorin sprechen, einen Vertrag, versteht nicht/ oder will nicht
verstehen, dass wir eigentlich nur einmal die Woche für 2-3 Stunden zu Besuch
kommen und vielleicht ein bisschen spazieren gehen wollen.
Nach unserer
Busfahrerei hatten wir eh wenig Zeit, nun blieb uns grade mal eine halbe
Stunde. Philipp ging zu Tanja, Flo und ich standen wiedermal dem
Sprachproblem gegenüber. Doch Flo kann schon
unglaublich viel und trotzdem bekamen wir gesagt, dass wir schlecht Russisch
sprechen. Naja wo sie recht hat, hat sie recht! ;o) Vollkommen fertig fuhr
Philipp nun zu seinem Sprachunterricht und Flo und ich trafen uns mit Julia und
Anna zum deutschen Kurzfilmabend. Beinahe wäre ich dabei eingeschlafen, aber es
war schön und skurril, denn bei dem vorletzten Kurzfilm erschien plötzlich ein
bekanntes Gesicht auf der Leinwand und ich sah Günther aus dem Theaterhaus in
Frankfurt vor mir. Jaja da muss man erst nach Minsk um mal die Bayern spielen
und Günther auf der Leinwand zu sehen. ;o)
Zuhause war ich fix und fertig, habe
erst mal meinen Flüssigkeitshaushalt wieder in Ordnung gebracht und gegessen
bis mir schlecht war, dann bin ich erschöpft ins Bett gefallen.
Freitag – Morgens bin ich immer noch erschöpft. Ich wache
auf weil mir heiß ist, 5 Minuten später friere ich. Eine warme Dusche und ein
gutes Frühstück normalisieren alles zum Glück wieder!
Der Weg ins Kinderheim
ist heute schwierig. Der erste Bus steht im Stau, der zweite kommt nicht, den
dritten verpasse ich um eine Minute. Mit einer halben Stunde Verspätung komme
ich an.
Interessieren tut es keinen!
Der Klassenraum ist abgeschlossen, ich
finde die Pädagoginnen beim Tee trinken. Meine Anwesenheit scheint sie aber zu
motivieren ihren Job zu machen.
Ich knete und töpfre mit Ina, sie ist so
glücklich als sie töpfern darf und dann erst als sie ihr Ergebnis sieht und
dafür gelobt wird. Sie strahlt und lacht und klatscht für sich! Anschließend
machen wir noch Klatschspiele, heute schon etwas komplizierter als gestern
noch, sie freut sich so sehr. Es ist einfach ein Wunder dieses Lachen! Ich kann
nicht sagen wie lange, aber Ewigkeiten verbringen wir mit Schnipsen, in die
Hände und auf die Schenkel klatschen, mit rechts, mit links, oben, unten,
Fingerspielchen, und vielem mehr. Anschließend setze ich mich zu Julia und gebe
ihr Impulse am Rücken, mit der Handfläche streicheln, mit den Fingerspitzen
trommeln, wie eine Spinne über den Rücken krabbeln. Sie freut sich, nimmt wahr
und lacht. Manchmal dreht sie etwas auf, wippt stark hin und her, aber sobald
ich den Druck verringere merkt sie es und wird ruhiger, damit ich weiter mache. Dann
plötzlich nimmt eine der Saniktaki (Helferinnen) sie und setzt sie auf eine
Bank. Ich verstehe nicht warum, wahrscheinlich gibt es keinen guten Grund.
Ich beschäftige mich mit einem anderen Kind, dass häufig
schlägt und nirgends mitmachen darf. Sie ist unglaublich gelenkig, kann eine
Kerze machen und rollt gerne über den Boden und eigentlich will sie nur etwas
Aufmerksamkeit. Sie ist kitzlig, aber es ist schwierig ihr klar zu machen, dass
sie diese positive Aufmerksamkeit nicht durch Gewalt bekommt. Sie wird häufig
angeschrien, geschlagen. Als ich einmal eine schnellere Bewegung mit der Hand
mache, zuckt sie zusammen und man sieht die Angst in ihren Augen. Das
erschüttert mich, besonders weil ich weiß und teilweise mit ansehen muss, dass
die Kinder geschlagen werden. Brüllt ein Kind und will nicht aufhören wird es
geschlagen, das bringt zwar gar nichts aber gehört zum Alltag. Bei den
Sanitakis weiß man wie sie ihren Job machen, aber bei den Pädagogen finde ich
es noch viel schlimmer.
Heute wurden Haare gefärbt. Eine Pädagogin hat der anderen die
Haare gefärbt, dann lief sie mit einer komischen Plastikhaube rum und als ein
Kind neugierig drauffasste, hat es eine mit den Gummihandschuhen verpasst
bekommen.
Diese Situationen machen mich wütend und leider sind sie stärker als
die Freude über die vielen lachenden Kinder an diesem Tag, die bewältigten
Aufgaben und die Freude über die kleine Autistin, die meine Nähe gesucht hat.
Zum Glück kann man mit ein wenig Abstand die Aggressionen abbauen und darüber
nachdenken wie man die schönen Momente vervielfacht, denn das sind doch die
wahrlich wertvollen Momente im Leben.
Ich bitte die Wechsel in der Zeit zu entschuldigen! :o)
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