Donnerstag, 27. September 2012

Поехали

Los geht's - Nachdem wir uns alle Projekte angeguckt haben, kann es losgehen. 7 Projekte+ Omas für 4 Freiwillige, es gab schon einen schlechteren Schlüssel, aber von gut ist auch das noch weit entfernt.

Ich werde 2 Tage der Woche im Kinderkrebskrankenhaus, 2  Tage im Kinderheim für Benachteiligte und 1 Tag in der Geschichtswerkstatt arbeiten.  Außerdem besuche ich noch einmal die Woche Oma Anna und habe dann hoffentlich neben dem Sprachunterricht noch etwas Zeit um auch die Mädels aus dem Erwachsenenheim für Benachteiligte regelmäßig zu besuchen.
Am Abend vorher war mir zum Glück noch nicht klar, dass am Morgen mein erster Arbeitstag beginnen würde, denn sonst hätte ich sicher schlecht geschlafen. Es macht Sorge, dass man die Sprache nicht beherrscht und immer wieder stellt man sich die Frage, wie das alles funktionieren soll. Auch der Gedanke, dass es schon viele Freiwillige vor uns mit ähnlich schlechten Sprachkenntnissen gut bestanden haben beruhigt dann nicht sehr. Auf jeden Fall konnte ich so wenigstens einigermaßen gut schlafen, um dann dennoch müde in den Tag zu starten. Die ersten 4 Stunden auf der Mädchenstation des Kinderheims, aufregend! Doch bevor es losgeht bekommen wir erst mal eine Einweisung, die ist zwar laut Johanna schon wesentlich ausführlicher als die Vorjahre aber dennoch nicht unbedingt hilfreich. Der erste Schock kommt als wir Philipp auf die Jungsstation bringen, denn dort sitzt ein Kind mit gefesselten Beinen angebunden an einen Stuhl und schreit. Viele der Jungs sind grade damit beschäftigt ein Computerspiel zu installieren, irgendein Ballerspiel, da sind sie ganz wild drauf.
Danach geht es auf die Mädchenstation. Am Anfang fühle ich mich nicht wohl. Ich sitze mit zwei Pädagoginnen und einem Mädchen(Sveta)  im Bastelzimmer und bastele Rosen aus Knetmasse während die Pädagoginnen ein Bild einpacken. Als dann Sveta auch noch geht, frage ich mich wirklich welche Rolle ich hier grade einnehme und ob für mich/fürs einpacken wirklich 2 Pädagoginnen nötig sind, wenn draußen jede Menge Mädchen etwas Abwechslung gebrauchen könnten. Zum Glück kommen dann einige Kinder in den Raum und ich muss meine Rosenproduktion nicht mehr alleine fortsetzen, sondern bekomme Hilfe. Gemeinsam macht das ganze doch auch viel mehr Spaß! Während ich knete, rolle und forme beobachte ich erstaunt wie präzise und wunderschön Sveta ihre Rosen formt und merke, dass meine daneben eher etwas mickrig und flädderig aussehen. Als dann auch noch ein Mädchen singt und ein anderes schnippst wird mir endgültig klar, dass sie eigentlich so vieles so gut können was ich nicht kann und es doch wirklich eine Frechheit ist, dass nur weil sie das „normale“ Leben vielleicht nicht so gut können, weggesperrt werden.
Auch an der frischen Luft umzäunen uns dicke Mauern über die man nicht gucken kann und wer das eingezäunte Mädchengelände verlässt wird mit harten Worten und einem (zu) festen Zug an der Kleidung wieder zurückbefördert. Manchmal aber ist es die Anstrengung nicht einmal Wert und andere Kinder müssen die „Jagd zurück“ in die Hand nehmen und dabei spielt die Hand buchstäblich eine große Rolle. Doch zumindest können die Kinder etwas raus, nur Schade dass man wegen des Essens wieder rein muss. Und schon ist mein 1. Arbeitstag beendet – Ich habe Hunger, Rückenschmerzen, bin müde und die Gedanken an das Gesehene lassen mich nicht los.
Noch lange und trotz starker Ablenkung durch den Besuch bei den Mädels aus dem Erwachsenenheim geht mir ein Kind nicht aus dem Kopf. Es heißt sie sei Autistin. Anfangs dachte ich sie sei vielleicht das Kind einer der Erzieherinnen, denn sie wirkt so normal. In ihrem Kleidchen mit der kleinen Palme auf dem Kopf, die sie sich selbst mit der Bürste wieder zurecht macht, wenn sie mal nicht mehr sitzt, wirkt sie nicht anders als ich es wohl als Kind getan habe. Genau erinnere ich mich noch an die Fotos von mir in meinem fliederfarbenen Kleid mit der Palme auf dem Kopf, vielleicht war ich damals noch etwas jünger, aber 1-2 Jahre später bin ich sicherlich genauso rumgerannt, wollte auf Bäume klettern, mit den anderen spielen und kuscheln. Der Unterschied: Ich bin mit meinen Geschwistern behütet in einer Familie aufgewachsen, wurde gefördert und auch wenn mal nicht alles so schnell ging wie bei anderen Kindern wurde mir geholfen; sie wächst in einem Kinderheim auf, wo viele bereits an Hospitalismus leiden und nie genügend Leute da sind um ein behütetes aufwachsen zu garantieren, ohne Eltern. Sie spricht nicht so wie andere Kinder in dem Alter, das stimmt, aber mit etwas Hilfe könnte sie fast „normal“ sein, würde beinahe in „unsere Welt“ passen, doch das wird nicht passieren.
Traurige Realität: Egal wie begabt die Kinder sind oder was für Fortschritte sie machen dort kommen sie nur raus um ins Erwachsenenheim gebracht zu werden.
Unsere Aufgabe ist es, den Kindern die Zeit so wunderbar und behütet wie irgend möglich zu machen, denn das haben sie mehr als verdient!

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