Dienstag, 25. Dezember 2012

Рождество́






Weihnachten – ist in Belarus ganz anders. Von Advent haben hier die wenigstens schon mal etwas gehört, dieses Jahr gab es irgendwo in Minsk den ersten Weihnachtsmarkt von Belarus und Geschenke gibt es zu Weihnachten eigentlich auch nicht, dafür jede Menge Schnee!
Der 25. Dezember ist zwar ein Feiertag, aber nur die Katholiken feiern auch, denn für die Orthodoxen ist Weihnachten erst am 07.01. Aber egal welcher Religion man angehört, feiert man in Belarus groß das neue Jahr. Überall gibt es kitschige Schlangenstaubfänger zu kaufen, denn 2013 ist das Jahr der Schlange, Väterchen Frost und das Schneemädchen sind im Dauereinsatz und es gibt Geschenke. Hier heißt es weniger „Frohe Weihnachten“ als „Ein gutes neues Jahr“!
Was wohl irgendwie vertraut ist, sind die großen Eislaufflächen auf Plätzen und die Beleuchtung auf dem Prospekt (auch wenn ich finde dass diese an Hässlichkeit kaum zu übertreffen ist!).
Trotz allem haben wir hier Weihnachten gefeiert.
In der Geschichtswerkstatt habe ich eine kleine Weihnachtsfeier gemacht, habe probiert zu erklären was Advent, Plätzchen und Stollen ist, „Alle Jahre wieder“, „Stille nacht“ und „Ihr Kinderlein kommet“ gesungen und ihnen ein Gedicht beigebracht:
Advent, Advent ein Lichtlein brennt,
erst eins,
dann zwei,
dann drei,
dann vier,
dann steht das Christkind vor der Tür.
Und wenn das fünfte Lichtlein brennt,
dann hast du Weihnachten verpennt.

Danach haben wir praktische Erfahrungen mit Plätzchen und Lebkuchen gemacht und uns für die Neujahrsfeier am 29.12. vorbereitet, denn da werden wir „Alle Jahre wieder“ und „Ihr Kinderlein kommet“ zum Besten geben (die Abmachung ist, dass ich eine Version des Liedes mit Gesang laut abspiele und dann alle nur noch den Mund dazu bewegen müssen ;o) ). Außerdem wird eine Frau das Gedicht aufsagen und drei andere den Text von Stille Nacht. Ich bin gespannt! Und freue mich sehr darauf.



Den 24. selbst haben wir im Krankenhaus verbracht. Gemeinsam mit Julia, ihrer Mama und Philipp sind wir um kurz nach 8 los. Im Krankenhaus angekommen, haben wir dann auf der fünften Station Geschenke verteilt. Julia als Schneemädchen, Philipp in unserem wunderschönen selbstgemachten und irgendwie improvisierten Kostüm als Weihnachtsmann und ich als seine Frau oder so. 
Das Selbe dann noch mal auf der Tagesstation, nur das ich jetzt der Weihnachtsmann war.

Dann haben wir auf Julias Station mit den Kindern Plätzchen gebacken, um anschließend wieder in die Kostüme zu springen und auch auf der 4. Station und der Transplantationsstation die Geschenke zu verteilen. Und nach einer kleinen Pause habe ich dann schließlich noch mit meinen Kindern gebacken. Leider gibt es davon keine Bilder, aber es war sehr schön, wir haben Teig geknetet, mit den Förmchen ausgestochen, neue Kreationen erschaffen – es wurden Herzen mit Sternen, Sterne mit Männchen und Männchen mit Monden kombiniert – und dann alles schön mit Streuseln verziert. Kaum war die erste Ladung aus dem Backofen draußen war sie auch fast schon wieder weggefuttert. Teilweise war leider nicht genug Platz für alle Kinder die ankamen, aber zumindest mit 3 süßen Mädchen habe ich fast 1 ½ Stunden gebacken. Nach dem ganzen Stress mit Weihnachtsgeschenke vorbereiten und verteilen, war das endlich mal wieder genau die Arbeit, wegen der ich hier bin!

Glücklich, zufrieden und müde bin ich dann also nach Hause gekommen, wo es noch mal ein klein wenig Borscht gab, bevor ich dann mit Julia und ihrer Mutter erst essen und dann in die Stehbar gegangen bin.
Es war ein sehr schöner und lustiger Abend, an dem wir einige Freunde wieder getroffen, Bekanntschaften vertieft und neue Menschen kennengelernt haben.
Heilig Abend im Zentralni, man kann wohl sagen, dass war mal eine ganz besondere Form des Festes!

Jetzt heißt es noch ein paar Tage arbeiten, Neujahrsfeier im Kinderheim, in der Geschichtswerkstatt und dann geht es auf nach Gomel, Charkiv und Kiew in den Urlaub.
Ein bisschen ausruhen, damit wir dann am 10. Januar gestärkt und ausgeschlafen ;o) gemeinsam mit Menschen mit Behinderung auf ein Winterlager fahren können!
Die nächsten Wochen versprechen anstrengend und wirklich schön zu werden!




Samstag, 17. November 2012

7 дней Центральный

7 Tage Центральный - Eine Geschichte von Gemeinschaft, Freundschaft und schlechtem Bier.

Es war ein Experiment wie kein anderes.
Jetzt gibt es das Protokoll und die Auswertung exklusiv.

Wie alles Begann:
Nach der Geisterbeschwörung am Freitag Abend, wurden wir dann tatsächlich heimgesucht, denn Samstag standen wir plötzlich ohne Strom da. Was tun? 
                                                                    erstmal essen!
           Übrigens der Schein trügt, Julias Kamera macht ziemlich helle Fotos, auch im dunkeln!!!



Nun in unseren Überlegungen sind wir nicht so richtig weit gekommen, dennoch beschlossen wir uns einfach mal fertig zu machen. Doch im dunkeln stellte das einige Herausforderungen dar. Zuerst ist Julia mal ganz romantisch bei Kerzenlicht duschen gegangen, während ich mich am stricken im dunkeln versucht habe. Leider haben die kurzen Momente in denen wir Strom hatten nicht immer gereicht um alle Maschen wiederzufinden.
Dann galt es sich zu schminken, natürlich auch ohne Licht, also nur das Nötigste. Wie ich aus meinem Zimmer zurückkomme sehe ich wie etwas in Julias Zimmer flackert. Das Teelicht das Julia in ihrem Zimmer stehen gelassen hatte, breitete sich nun etwas aus und auch das Deko-Weihnachts-Schneeflocken-Glas hatte es schon gesprengt. Was nun?
Erster Gedanke: Ersticken. Dann: Das Glas steht auf einem Wolluntersetzer und der auf einem Holzregal, was wenn das nicht funktioniert?
Zweiter Gedanke: Wasser.
Resultat: Eine riesige Stichflamme, Wachsspritzer im ganzen Zimmer und einen ziemlichen Schock später war es klar: Wir müssen ganz schnell unsere Wohnung verlassen; soll sie doch abfackeln, aber dann bitte ohne uns!

So kam es also, dass wir uns mit Orangensaft ausgestattet auf den Weg durch Minsk machten, einen kleinen abendlichen Spaziergang am Fluss.


Und dann? Pinkelpause ;o) und schließlich: Центральный - die Stehbar, wo man im stehen Bier trinken kann (Zitat Julia).

Irgendwie hatte ich dann einen Lauf, also:
1.Samstag: Jules und ich im Центральный wegen Stromausfall.
2.Sonntag: Flo, Jules und ich im Центральный nach Flo's Rückkehr.
3.Montag: Philipp und ich im  Центральный um Sonntag nachzuholen.
4.Dienstag: ??? und ich im Центральный keine Ahnung warum.
5.Mittwoch: Jules und ich im  Центральный nach dem Sprachunterricht.
6.Donnerstag: Flo, Jules und ich im Центральный nach Kinder- und Erwachsenenheim.

7. Freitag:

Freitag sollte meine Woche komplett werden, aber es schien als ob das nicht passieren würde. Freitag war Philipps Geburtstag und da dachte ich mir, ihm zu Liebe, machen wir mal keine Runde Sache draus.
 Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt (Zitat: Ampelmännchen xD)
Irgendwann haben Jules und ich nämlich beschlossen, dass die Party auch eine halbe Stunde ohne uns auskommt und wir einfach mal verrückt sind, den Balkon mit gutem Bier zurücklassen und uns schlechtes Billigbier gönnen.
Und es war eine verdammt gute Entscheidung! Denn es hat den Abend geschmückt.

Tag 7! Für dieses Foto sind wir extra nochmal zurück! Und später haben wir die Leute wiedergetroffen - bei Philipp.


Die lustige Geschichte dabei: Ich kannte einen schon vom Theater, Flo hat ihn schon auf einer Party getroffen, aber wir hatten keine Ahnung, dass der jeweils andere ihn auch kennt. Misnk ist ein Dorf, man trifft ständig durch Zufall irgendwelche Leute, die in irgendeiner Weise mit einem verbunden sind.

Auf jeden Fall habe ich somit eine Woche lang schlechtes Billigbier im Центральный getrunken.

Kommen wir zur Auswertung:

An Tag 1 und 2 schmeckte das Bier reudig

Tag 3, 4 und 5 war es eigentlich in Ordnung
Tag 6 war es dann wieder reudig
und an Tag 7 wollte ich den Spuckschluck/Uwe einfach nicht mehr trinken.
Außerdem stellt sich natürlich die Frage wie ein solcher Konsum den Körper beeinflusst. 
Hier die Antwort: Nach einer Woche hatte ich ein unglaublich großes Verlangen nach gesunder Ernährung und Sport. Außerdem konnte selbst ein "gutes" Bier meinen Apettit nicht wecken. 
Das Центральный ist ein geselliger Ort, aber nicht immer trifft man nette Menschen. Häufig trifft man auch auf stark alkoholisierte oder rassistisch/faschistisch geprägte Menschen oder auf Artjom ;o) (Zur Aufklärung: Das soll keine Steigerung oder Aufzählung sein, denn er gehört nicht in diese Kategorie)
Es ist auf jeden Fall ein sehenswerter Ort und auch ein Billigbier lohnt sich mal (0,5L für umgerechnet ca. 75cent) aber auf Dauer sollte man doch lieber 20 Cent mehr investieren oder auch mal andere Orte aufsuchen!
Fazit: Lustig war es auf jeden Fall und neue Bekanntschaften haben wir defintiv  auch geknüpft.
Also ein "Thumbs up" fürs  Центральный. ;o)
 




Хэллоуин



Halloween- Und wir geben eine unglaublich abgefahrene und sehr belebte Eskalationsparty – Nicht! ;o)
Aber was soll man machen, wenn die Hälfte der geladenen Gäste nicht kommt?
Trotzdem war es ein netter und sagen wir mal interessanter Abend. Leider nicht alles ganz Internetgerecht, aber immerhin gibt es hier ein paar Einblicke. 
Ach kann Jules nicht wunderschön gucken?

Das ist dann wohl die passende Reaktion auf das Bild...

Bela-Kola!!!

Gymnastik auf der Waschmaschine oder ist es doch mehr als das???

Der letzte Rest.




Und so beschließt man dann einen Abend - mit Essen ;o)

Aber natürlich haben wir (also besser gesagt die belarussischen Freiwilligen, Ira und Julia) ganz dem Thema entsprechend auch Kontakt mit dem Jenseits aufgenommen. - Ich war da eher ähnlich begeistert wie Anna, aber zum Glück kam ja Flo mit dem Wodka zur Rettung geeilt :o)




Nachdem dann alle auch recht früh gegangen sind, hatten wir auf jeden Fall noch eine Menge Aufregung und Spaß im Graffiti! Also alles in allem doch irgendwie ein gelungener Abend.

Montag, 29. Oktober 2012

больни́ца

Krankenhaus - Natürlich trinken wir nicht nur Bier und genießen unsere Freizeit, sondern arbeiten auch ganz hart. Heute haben wir den Kindern und Erwachsenen im Krankenhaus die amerikanische? keltische? Kultur ein bisschen näher gebracht.
Halloween!
Wir haben Kürbisgesichter geschnitzt und die Eltern hatten ihre Freude mit den Resten. Es gab Kürbissuppe. ;o)
Und als ob Kürbisse aushöhlen nicht schon Spaß genug wäre, kamen auch noch die...
                                                                 ...Clowns!!!


                      Ohje, unser Kürbis hat ein Loch im Boden. Upps, da war wohl jemand etwas zu fleißig. :o)
 Und dann kommt der spannende Moment, wenn endlich die Kerzen im fertigen Kürbis an sind...

Das hat wirklich Spaß gemacht und jetzt werden die bösen Geister rechtzeitig zur kalten, dunklen Jahreszeit vertrieben. Rechtzeitig? Naja defintionssache, auf jeden Fall war es wirklich schön!

о́тдых 2

Freizeit 2 - Mal wieder ein kleines Update was unsere Freizeitgestaltung der letzten 2 Wochen angeht.

Erst einmal haben Jules und ich uns getraut und sind mal "typisch belarussisch" feiern gegangen. Ein bisschen Anpassung war allerdings angesagt, denn so ganz ohne "dress und make up" wird es doch schwierig.


Und hier kommt... Rotkäppchen ;o)

Oh wie unwohl ich mich in diesem Aufzug gefühlt habe und wie unglaublich glücklich ich war, als ich wieder weniger Schminke im Gesicht, meine Sachen und vor allem meine Jacke an hatte!
Übrigens sind wir von der Party um dreiviertel 1 abgehauen und haben die letzte Metro genommen, denn es war ECHT NICHT UNSER DING!

Danach haben wir uns erstmal wieder unserer üblichen Beschäftigung gewidmet und...

                                                   GEGESSEN!  Mmmmh lecker Pizza.

Auch wenn sie ein paar Mängel hatte, die belarussische topped sie auf jeden Fall.

Danach war Julia schon glücklich, aber als wir dann am nächsten Tag, sozusagen bei uns vor der Haustür, noch auf Pferde trafen, war sie nicht mehr zu halten! Und immerhin hatten wir dadurch noch ein bisschen Unterhaltung von ein paar interessanten Typen. :o)


Und dann fiel der erste Schnee und er fiel und fiel und fiel und blieb liegen.
Hier ein kleines sehr unscharfes Video mit Jules und meinem wundervollen Geplapper (es ist der typische Gesprächsverlauf xD).


Und noch natürlich noch ein Kneipenfoto:

                                                           Von Kneipe zu Kneipe.

Haben an dem Abend übrigens echt coole Leute getroffen, unter anderem einen unserer Vorgänger. Er war vor 10 Jahren mit ASF in Minsk, jetzt ist er grade hergezogen und gleich begegnet man sich.
Minsk ist ein Dorf!

So auch die kommenden Wochen versprechen Freizeittechnisch wieder recht nett zu werden, man wird sehn...




Mittwoch, 24. Oktober 2012

Не-Зо́лушка


Nicht-Aschenputtel

Es waren einmal vor langer Zeit einige Freunde, denen wurde die Zeit wenig, und als sie fühlten dass ihr Ende heran kam, riefen sie ihre Freundin zu sich und sprachen 'liebes Kind, bleib fromm und gut, so wird dir der liebe Gott immer beistehen, und er will vom Himmel auf dich herab blicken, und will um dich sein.' Darauf taten sie die Augen zu und sie verschwand. Das Mädchen ging jenen Tag hinaus in die Welt, und blieb ‚fro…ehlich und gut‘. Als der Herbst kam, deckten die Blätter ein buntes Tüchlein über Minsk, und als die Arbeitslosen es einmal weggekehrt hatten, nahm sich das Kind einer Frau an.
 Die Frau war eine Babuschka, die alt und krank von Angesicht war, aber gut und dankbar von Herzen. Da ging eine anstrengende  Zeit für das arme Kind an. 'Soll das junge Mädchen bei mir in der Stube sitzen!' sprach sie, 'soll Äpfel essen, es hat sie sich verdient: herein mit dem Kind.‘ Das Mädchen nahm ihre schönen Kleider weg, zog alte, schmutzige Lumpen an, und trug ausgeblichene Schlappen. 'Seht einmal das schöne Mädchen, wie schlecht sie aussieht!' rief die Babuschka, sorgte sich und führte es ins Bad. Da musste es von Morgen bis Mittag schwere Arbeit tun, früh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Wanne putzen, schrubben und scheuern. Obendrein tat ihm die Nachbarin alles ersinnliche Körperleid an, nahm der Babuschka die Wanne und klaute den Schrubber, so dass es auf den Knien sitzen und den Boden schrubben musste. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern musste sich auf ein unbequemes Sofa legen. Und weil es darum immer Rückenschmerzen hatte, wurde es nicht Aschenputtel genannt.

???Was ihm die Zukunft noch bringt???
‘Whatever will be, will be, the future is not ours to see!’

Und wenn es nicht gestorben ist, dann lebt es noch heute.



Zum Verständnis: Ich muss bei meiner Babuschka immer die Wanne schrubben und tatsächlich hat die Nachbarin den Schrubber mitgenommen, sodass ich auf den Knien den Boden wische. Nun habe ich mich dabei ein bisschen wie Aschenputtel gefühlt, daher dieser Eintrag. Aber es ist alles gut!

Samstag, 20. Oktober 2012

пол и сексуа́льность


Gender und Sexualität - Einige Erlebnisse und Annas Frage nach der Geschlechterrolle in Deutschland haben mich veranlasst hier einmal etwas über meine Erfahrung mit Gender und auch mit Sexualität in Belarus zu schreiben.

Wie sagte Johanna es so schön: „In Minsk ist man keine richtige Frau wenn man keine hohen Schuhe trägt.“ Und es ist etwas Wahres daran, denn Turnschuhe sind bei den Frauen hier nicht sonderlich verbreitet. Wenn schon flach, dann doch wenigstens Stiefel bis zu den Knien hoch, aber die meisten tragen hohe Schuhe. Und um das Klischee vollständig zu erfüllen dazu doch bitte einen engen kurzen Rock (die Treppenstufen sind hier unglaublich flach und ich habe die Theorie, dass die Belarussinnen ansonsten mit ihren engen Röcken da nicht hochkämen), eine Nylonstrumpfhose, einen Mantel mit Fell und lange Haare.
Man schafft es mit unserem Kleidungsstil häufiger Gesprächsthema zu werden. Die Verkäuferinnen des Second Hand Ladens waren wirklich sehr amüsiert, als Julia und ich nur die Männerschuhe anprobierten und neulich wurde ich an der Bushaltestelle von einer Frau gefragt, ob ich Künstlerin sei, mein Kleidungsstil würde darauf schließen lassen. ;OP
Natürlich sind hier nicht alle so, denn „es gibt jene und solche und dann gibt es noch ganz andere aber das sind die schlimmsten.“ (Marc-Uwe Kling)

Emanzipation als Nebensache. Frauen dürfen keine Busse fahren und hilfsbereite Männer stehen im Ansehen häufig eine Stufe höher als hilfsbereite Frauen.
Besonders stark vertritt man die Geschlechterrolle. Frau oder Mann, das sollte Eindeutig sein. Und Homosexualität ist zwar gesetzlich nicht verboten, aber die ungeschriebenen Regeln der Gesellschaft sagen etwas anderes. Man kann hier durchaus als Homosexueller Leben, es gibt „Schwulenpartys“ und auch auf der Straße begegnet man gelegentlich Homosexuellen. Dabei begegnet man dem Thema schwul sein häufiger als lesbisch sein, denn Frauen die sich küssen, das sind doch bloß Freundinnen oder nicht?
Viele Belarussen haben eine Art der Homophobie aber wer kann es ihnen übel nehmen, wenn sie nie gelernt haben damit umzugehen? Doch es wird Zeit dafür, denn Akzeptanz findet man hier nur in bestimmten Kreisen in anderen ist die Abneigung beherrschend. Im Krankenhaus gibt es ein Mädchen, dass seit sie 4 ist ein Junge sein möchte, heute ist sie/er 14 und die Mutter akzeptiert die Neigungen des Kindes, andere nicht. „Es ist schade, dass kein Vater mehr in dieser Familie lebt, denn die Mutter hat einen Fehler gemacht und der Vater hätte das verhindert, aber vielleicht bis das Kind 18 oder 20 ist da kann man es noch verändern, kann man alles wieder richtig machen.“

Wer akzeptiert werden will, der ist besser „normal“ ohne komische Neigungen, Behinderungen oder ähnliches, der zeigt sein Geschlecht durch seine Kleidung, sein Verhalten und ist eben, ganz nach dem kommunistischen Gedanken der Gleichheit, wie alle.

Unter jungen Menschen gehört die „richtige“ Sexualität zum Alltag, es ist eben ein Teil des Lebens. Bei den Kindern und jungen Erwachsenen im Heim ist es verboten!
Der Erregung und Befriedigung wird jede Art der Natürlichkeit abgesprochen. Wenn ein Junge im Pubertätsalter masturbiert, dann wird er dafür geschlagen oder die Windeln werden einfach so fest gebunden, dass er keine Chance mehr hat.
Auch auf der Mädchenstation spielt Sexualität eine große Rolle. Die Kinder lernen aus dem Fernsehen, denn Soaps sind eine der Lieblingsbeschäftigungen der Sanitakas. Küssen ist wohl eine der alltäglichen Sachen und vielleicht kann man es auch zu einer Art mütterlichen Fürsorge zählen, aber das ist noch das geringste. Manche Kinder reagieren bereits auf zärtliche Berührungen. So zum Beispiel eines der blinden Mädchen, vermutlich ist ein über den Rücken streicheln eine Erfahrung die sie selten oder nie macht, ihre Reaktion darauf: der Griff unter das Shirt zur Brust, dann in den Schritt.
Auch eng umschlungenes tanzen oder Händchen halten hat ihnen das Fernsehen gezeigt, dabei spielt hier das Geschlecht jedoch keine Rolle. Es ist nicht wichtig ob man männlich oder weiblich ist, sondern nur dass man irgendwie diesem Gefühl, diesem Trieb nachkommt.
Normalerweise werden solche Dinge sehr schnell unterbunden, um so schockierender war für mich ein Erlebnis was ich machen musste, als keiner der Mitarbeiter mehr auf der Station war, als die Kinder sich gegenseitig „betreuten“. Ziemlich schnell lagen 2 Mädchen auf dem Boden, das eine eher mit einer „maskulinen Art“ und stark und bestimmend, das andere nicht fähig sich zu wehren, schwach und irgendwie zurückgelassen. Sie wurde auf dem Boden abgeküsst und umarmt und gedrückt. Nachdem sie aufgestanden waren, habe ich sie eine Weile später auf einem der Sofas liegen sehen, die kleine war wehrlos den Küssen, den Berührungen ausgeliefert, verstand wohl auch nicht was da passierte. Als ich näher komme sehe ich, dass auch ihr Hose runtergezogen ist, dass sie untenrum nackt ist - die Große liegt auf ihr.

Es ist schockierend und schwer, aber diese Kinder wissen es nicht besser, sie lernen nicht mit ihrer Sexualität umzugehen, sie können sich nicht ausprobieren also tun sie, wenn sie doch einmal können, das was sie woanders sehen, wozu der Trieb sie bringt und ich möchte mir gar nicht vorstellen wohin das führen kann.


о́тдых

Freizeit -  nachdem wir uns nun an unser Arbeitsleben gewöhnt haben, fangen wir auch langsam an in unserer Freizeit ein bisschen mehr zu unternehmen. Hier ein kleiner Überblick über die letzten paar Tage.

Erstmal sind wir endlich Flo's Wunsch nachgekommen und haben uns den Prospekt mit seiner ausführlichen Beleuchtung bei Nacht angeguckt. Vorher waren wir aber noch eben hinter der Schaufensterreihe ein Bierchen trinken.



Am nächsten Abend ging es dann auf eine Schwulenparty. Der Anpassung wegen haben wir vorher spontan  Klamotten getauscht.

Donnerstag haben wir uns nach einer gemütlichen, gammligen Kneipe umgesehen und ich würde sagen wir waren recht erfolgreich! So ganz im Mittelalterstil :o)


Und nach diesen ganzen nächtlichen Ausflügen, haben wir uns gestern gemeinsam mit Natascha einen wundervoll sonnigen tag im Gorkipark gegönnt. (Oder ich wohl eher einen Nachmittag)

Und falls wir mal nicht grade arbeiten, dem Alkhol fröhnen oder die Sonne genießen, dann sorgen wir für was zu Essen und das geht am besten auf dem Комаровский, dem Markt.

наде́жда

Hoffnung -
Eine Radiosendung des BR mit ehemaligen Freiwilligen über das Kinderheim und auch das Erwachsenenheim in denen wir jetzt arbeiten und über das Ferienlager was uns nächsten Sommer erwartet!

http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/notizbuch/nah-dran/heimkinder-weissrussland-100.html

Hört es euch an, es lohnt sich!

Sonntag, 14. Oktober 2012

Могилёв

Mogilev - Am Sonntag, den 07.10.2012 waren wir mit dem Chessed zu einer Feier in Mogilev. Morgens ging es in Minsk mit dem Bus los und Abends wieder zurück. In der Zeit dazwischen haben wir von Vera die Stadt gezeigt bekommen




Und eine super Show von den Menschen aus dem Chessed gesehen. Die Damen haben wirklich Spaß beim tanzen!
Hier ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Darbietungen.


Und dann noch eine kleine tänzerische Anekdote zum Tram fahren.


Samstag, 6. Oktober 2012

1. неделя


1. Woche - Endlich ist es soweit, die erste Woche arbeit geht los. Auch wenn es schön war alles kennenzulernen und ein bisschen Zeit zu haben ist das der Moment auf den wir alle gewartet haben.


Sonntag – Johanna reist ab, ab jetzt sind wir auf uns gestellt und das macht es irgendwie wirklich aufregend.


Montag – Der erste Tag im Kinderkrebskrankenhaus. Um 9Uhr geht’s gemeinsam mit Julia los Richtung Bus. Wir müssen einmal quer durch die Häuserblocks bis zur Bushaltestelle. Gemeinsam schaffen wir es, aber alleine hätte ich den Weg wohl nicht mehr gefunden. Auch die Busfahrt ist spannend, denn irgendwie kam uns der Weg das letzte mal nicht so lange vor und wir fragen uns, ob wir wirklich noch richtig sind. Doch dann geht es links um die Kurve und der große Blau-Weiße Bau erscheint in unserem Blickfeld. Nervös und gespannt was mich erwartet steige ich aus und gemeinsam laufen wir zu unserem neuen Arbeitsplatz.Erst rechts zu den Umkleiden, erklären, dass wir die deutschen Freiwilligen sind und mit einem Schlüssel an unseren Schrank. Dummerweise sind die Schlüssel eine Art Generalschlüssel und funktionieren an jedem Schrank der nicht extra gesichert ist, sodass anstelle von Spielen und Bastelmaterial, ein weißer Ärztekittel und eine Handtasche in meinem Blickfeld erscheinen. Nebendran findet sich dann aber doch noch das was für das nächste Jahr uns gehört, inklusive wunderschöner Schlappen! 
Mit neuer Fußbekleidung machen wir uns auf in den 5.Stock wo wir unsere Ansprechperson treffen, dann bekommen wir meine Station gezeigt und werden auch gleich mal mit einem Mädchen, dass zum Glück etwas Englisch kann für eine Weile allein gelassen. Noch ein bisschen Sightseeing und Kinder treffen und dann darf ich meine erste Runde UNO spielen.
Nachdem Julia und Larissa auf die Infektionsstation verschwinden, verlässt uns die Motivation zum UNO spielen und ein Mädchen dass noch etwas Englisch kann schnell, sodass nur noch Mascha und ich und eine sehr große Sprachbarriere übrigbleiben.
Aber das ist doch alles kein Problem, denn jetzt bekomme ich mehr als eine Stunde lang Russischunterricht. Что это? – Was ist das?
Nachdem ich Jahreszeiten und das halbe Gesicht gelernt habe, gibt es für uns eine kleine Pause mit Tee und Windbeutel, bis Mascha kommt um mit mir, anhand von Kartoffeln denen man Augen, Nase, Schuhe, Hüte, etc. anstecken kann, noch ein bisschen weiter zu lernen.
Damit ist der erste Arbeitstag schon wieder vorbei und ich recht erschöpft. Dafür ist allerdings keine Zeit, denn es wartet noch die erste Russischstunde auf mich.
Kurz zu Hause verschnaufen und dann mit dem Bus den ganzen Prospekt entlang, über die Brücke und dann die übernächste raus. Pünktlicher als ich erwartet habe stehe ich vor Galinas Tür - immer noch total erschöpft. Doch irgendwie schafft sie es mich mit schwarzem Tee, Gebäck und ein bisschen einfacher Unterhaltung auf Russisch wieder fit und motiviert zu bekommen, sodass wir dann noch über 2 Stunden gut arbeiten können. Zum Abschluss des Tages geht es dann noch mit einigen Schwierigkeiten zum Essen zu den Jungs und schließlich müde und erschöpft ins Bett!


Dienstag -  Es verspricht ein entspannter Tag zu werden, um 11 soll ich bei meiner Babuschka putzen und dann um 3 zum Deutschclub in der Geschichtswerkstatt. Es kommt etwas anders.
Als ich Babuschka Anna anrufe sagt sie mir ab. Sie habe es schon am Montagabend versucht, aber es war niemand zu Hause: „Wo warst du so spät noch, sag!“ :o)
Nun gut, damit habe ich etwas Zeit und die nutze ich um meine Russisch Hausaufgaben und viele sinnlose Dinge zu tun. Um 3 stehe ich dann aber trotz Motivationsprobleme in der Geschichtswerkstatt und mit einem Gemisch aus Russisch und Deutsch unterhalte ich mich etwas mit den alten Menschen die dort Deutsch lernen. Schließlich kommt auch die Lehrerin Dascha und es geht los. Eine Vorstellunsgrunde, etwas Grammatik und ein bisschen lesen und am liebsten haben sie es, wenn ich Ihnen vorlese, dann bewundern sie wie gut das klingt. ;o) Anschließend gibt es noch Kaffee, Tee und Kuchen und dann löst sich die Runde langsam auf. Ich helfe noch aufräumen und frage nach dem Putzmittel für meine Babuschka bevor auch ich nach Hause gehe.
Abends geht es dann noch mit Julia und Ira zum Fußball, aber das ist eine andere Geschichte.


Mittwoch – Heute läuft der Weg nach Barawljany schon wesentlich routinierter ab und kaum angekommen geht es auch gleich wieder los. Ich soll einem kleinen Jungen helfen bei der Rehabilitation, ein bisschen mit ihm spielen, dass er die Hand bewegt, vielleicht laufen. Gemeinsam mit Mascha malen wir ein Bild, dann kommt sein Vater und nachdem wir das Bild aufgehängt haben, lassen wir die beiden alleine. Mascha und ich spielen ein Spiel, machen etwas Blödsinn, unterhalten uns mit Händen und Füßen und machen dabei immer ein bisschen Russischunterricht. Dann kommt die Mutter von Maschas Bettnachbar dazu, sie kann einige Wörter auf Deutsch und irgendwie kommt Mascha dann auf Hitler, oder „Gitler“ wie sie ihn nennt. Während sie anfängt ihn zu malen und Fragen stellt, probiere ich ihr zu erklären, dass er schlecht war und zu meinem Erstaunen versteht sie, denn nachdem wir uns eine Weile mit dem Thema beschäftigt haben, fängt sie an das Bild von ihm mit schwarzem Filzer zu übermalen und als sie bemerkt, dass man das Bild von der Rückseite noch erkennt wird auch diese Seite übermalt und schließlich gibt sie mir das Blatt, damit ich es in viele kleine Teile zerreiße.
Ab jetzt bekomme nicht nur ich Russisch Unterricht, sondern Mascha fragt auch immer wieder was das auf Deutsch heißt. Ein schon etwas älterer Junge (19 glaube ich) gibt auch einen Beitrag, das einzige deutsche Wort was er kann: *****sohn.
Anschließend nehmen Mascha und ich in Larissas Büro noch Menschen auseinander und versuchen sie wieder zusammen zu bauen, aber schließlich geben wir wegen des Mittagessens auf. Nach Tee und Keksen besuche ich noch ein kleines Mädchen und male mit ihr etwas. Also besser gesagt, sie malt und ich probiere irgendwie ein paar Wörter zu sagen. Bevor ich gehe schenkt sie mir noch eins der Bilder. 
Auch heute habe ich nach einer kurzen Pause Sprachunterricht. Beim Tee stammle ich etwas von dem Fußballspiel und dann geht es an die Adjektive. Ich beschreibe meine ganze Familie und was alle so machen. Als Hausaufgabe für das nächste Mal darf ich das dann nochmal anhand eines Bildes machen.
Die Zeit geht nicht vorüber, als ich gehen kann entspricht das Wetter meinem Zustand: es gewittert und schüttet. Beinahe apathisch sitze ich im Bus und endlich zu Hause angekommen lege ich mich gleich mit Wärmflasche, Schmerztablette, Rückensalbe und Sonnenblumenkernen ins Bett. Man wird halt doch alt, da machen die Gelenke solches Wetter einfach nicht mehr so mit. ;o)


Donnerstag – Es verspricht ein harter Tag zu werden, der erste richtige Arbeitstag im Kinderheim. Es scheint beinahe mein Glückstag zu sein, denn obwohl die Ansagen im Bus undeutlich sind und ich nicht weiß wo ich bin, steige ich zufällig an der richtigen Station aus, der nächste Bus kommt schon um die Ecke gebogen und auch auf den 3. muss ich nicht einmal 2 Minuten warten. Leider bleibt der Tag nicht ganz so glücklich. Als ich auf der Mädchenstation ankomme sind die Pädagogen grade am Tee trinken und quatschen. Ich ziehe mich um und gehe raus zu den Kindern. Gegen halb 10 fangen dann die „Klassen“ an. Ich setze mich zum Papierblumen basteln und malen. Allerdings stellt sich das als eher schwierig raus, denn irgendwie gibt es kaum Stifte die noch spitz sind, aber kein Problem ich kann ja spitzen und nachdem die Kinder neben mir auch noch Spitzer bekommen, spitzen wir einfach für eine Ewigkeit Stifte. Ina ist glücklich, dass sie machen darf was die anderen auch machen und Vika singt ein bisschen vor sich hin. Später lässt sie mich immer und immer wieder ihren Zopf neu machen und dann führen wir gefühlte 20mal eine „Unterhaltung“ (sie kann nicht richtig russisch, sondern redet eine Fantasiesprache, aber ich kann ja auch nicht mehr) auf dem Gang. Einige Klatschspiele und Äffchen-/bzw. Schildkröten Begegnungen später (ich nehme jetzt immer meine beiden Fingerpuppen mit) war die Zeit auch schon wieder rum. Tatsächlich ging es wirklich schnell vorbei und trotzdem bin ich fertig, sitze in der Sonne, warte auf die Jungs und habe das Gefühl irgendwie Entspannung zu brauchen.
Die gibt es nicht wirklich, denn wir gehen gemeinsam eine Kleinigkeit essen und fahren dann ins Erwachsenenheim. Es ist eine Katastrophe, wir müssen einmal quer durch die Stadt und schaffen das auch ohne Probleme. Erst als wir eigentlich schon da sind und nur noch ein kleines Stück weiter müssen sind wir aufgeschmissen. Keiner kann sich mehr an die Busnummer erinnern, wir nehmen den falschen. 2Stunden haben wir vom Kinderheim zum Erwachsenenheim gebraucht. Das ist eine zu viel! Und dann fängt der Spaß erst an: Wegen Renovierung wurden alle Bewohner eine Etage hoch gelegt, dort ist zugesperrt, aber nach einem Klingeln bekommen wir aufgemacht. Als wir spazieren gehen wollen, werden wir an die Direktion verwiesen und ab da nahm das Übel seinen Lauf. 
Erst musste Philipp alleine zum Direktor und der war wohl nicht sehr freundlich, dann waren wir alle zusammen bei der Direktorin. Sie will mit unserer Koordinatorin sprechen, einen Vertrag, versteht nicht/ oder will nicht verstehen, dass wir eigentlich nur einmal die Woche für 2-3 Stunden zu Besuch kommen und vielleicht ein bisschen spazieren gehen wollen.
Nach unserer Busfahrerei hatten wir eh wenig Zeit, nun blieb uns grade mal eine halbe Stunde. Philipp ging zu Tanja, Flo und ich standen wiedermal dem Sprachproblem gegenüber. Doch Flo kann schon unglaublich viel und trotzdem bekamen wir gesagt, dass wir schlecht Russisch sprechen. Naja wo sie recht hat, hat sie recht! ;o) Vollkommen fertig fuhr Philipp nun zu seinem Sprachunterricht und Flo und ich trafen uns mit Julia und Anna zum deutschen Kurzfilmabend. Beinahe wäre ich dabei eingeschlafen, aber es war schön und skurril, denn bei dem vorletzten Kurzfilm erschien plötzlich ein bekanntes Gesicht auf der Leinwand und ich sah Günther aus dem Theaterhaus in Frankfurt vor mir. Jaja da muss man erst nach Minsk um mal die Bayern spielen und Günther auf der Leinwand zu sehen. ;o)
Zuhause war ich fix und fertig, habe erst mal meinen Flüssigkeitshaushalt wieder in Ordnung gebracht und gegessen bis mir schlecht war, dann bin ich erschöpft ins Bett gefallen.

Freitag – Morgens bin ich immer noch erschöpft. Ich wache auf weil mir heiß ist, 5 Minuten später friere ich. Eine warme Dusche und ein gutes Frühstück normalisieren alles zum Glück wieder!
Der Weg ins Kinderheim ist heute schwierig. Der erste Bus steht im Stau, der zweite kommt nicht, den dritten verpasse ich um eine Minute. Mit einer halben Stunde Verspätung komme ich an.
Interessieren tut es keinen! 
Der Klassenraum ist abgeschlossen, ich finde die Pädagoginnen beim Tee trinken. Meine Anwesenheit scheint sie aber zu motivieren ihren Job zu machen.
Ich knete und töpfre mit Ina, sie ist so glücklich als sie töpfern darf und dann erst als sie ihr Ergebnis sieht und dafür gelobt wird. Sie strahlt und lacht und klatscht für sich! Anschließend machen wir noch Klatschspiele, heute schon etwas komplizierter als gestern noch, sie freut sich so sehr. Es ist einfach ein Wunder dieses Lachen! Ich kann nicht sagen wie lange, aber Ewigkeiten verbringen wir mit Schnipsen, in die Hände und auf die Schenkel klatschen, mit rechts, mit links, oben, unten, Fingerspielchen, und vielem mehr. Anschließend setze ich mich zu Julia und gebe ihr Impulse am Rücken, mit der Handfläche streicheln, mit den Fingerspitzen trommeln, wie eine Spinne über den Rücken krabbeln. Sie freut sich, nimmt wahr und lacht. Manchmal dreht sie etwas auf, wippt stark hin und her, aber sobald ich den Druck verringere merkt sie es und wird ruhiger, damit ich weiter mache. Dann plötzlich nimmt eine der Saniktaki (Helferinnen) sie und setzt sie auf eine Bank. Ich verstehe nicht warum, wahrscheinlich gibt es keinen guten Grund.
Ich beschäftige mich mit einem anderen Kind, dass häufig schlägt und nirgends mitmachen darf. Sie ist unglaublich gelenkig, kann eine Kerze machen und rollt gerne über den Boden und eigentlich will sie nur etwas Aufmerksamkeit. Sie ist kitzlig, aber es ist schwierig ihr klar zu machen, dass sie diese positive Aufmerksamkeit nicht durch Gewalt bekommt. Sie wird häufig angeschrien, geschlagen. Als ich einmal eine schnellere Bewegung mit der Hand mache, zuckt sie zusammen und man sieht die Angst in ihren Augen. Das erschüttert mich, besonders weil ich weiß und teilweise mit ansehen muss, dass die Kinder geschlagen werden. Brüllt ein Kind und will nicht aufhören wird es geschlagen, das bringt zwar gar nichts aber gehört zum Alltag. Bei den Sanitakis weiß man wie sie ihren Job machen, aber bei den Pädagogen finde ich es noch viel schlimmer.
Heute wurden Haare gefärbt. Eine Pädagogin hat der anderen die Haare gefärbt, dann lief sie mit einer komischen Plastikhaube rum und als ein Kind neugierig drauffasste, hat es eine mit den Gummihandschuhen verpasst bekommen.
Diese Situationen machen mich wütend und leider sind sie stärker als die Freude über die vielen lachenden Kinder an diesem Tag, die bewältigten Aufgaben und die Freude über die kleine Autistin, die meine Nähe gesucht hat. Zum Glück kann man mit ein wenig Abstand die Aggressionen abbauen und darüber nachdenken wie man die schönen Momente vervielfacht, denn das sind doch die wahrlich wertvollen Momente im Leben.



БАТЭ

Bate - Die Fußballkultur der Belarussen ist schon eine recht merkwürdige Sache.
Um Karten für das Spiel FC Bate Borisov gegen Bayern München zu bekommen, stand Ira 3 Stunden in der Schlange. Wohlgemerkt als einzige Frau! Und dann nimmt sie auch noch 2 Deutsche mit zum Spiel. Da haben die Männer sich aber ganzschön gewundert. Aber naja für 8€ die Karte und so ein geniales Spiel hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Tausend Dank an Ira!
Aber zurück zu derFußballkultur der Belarussen.
Als wir in nach der Polizeikontrolle und einem kleinen Schwätzchen über unsere Fanzugehörigkeit zu den Plätzen kamen, fühlten wir uns doch ein bisschen Mädchenhaft als wir anfingen unsere nassen Sitze mit Taschentüchern trocken zu wischen. Allerdings haben sich auch die Männer mit Plastiktüten und Taschentüchern beholfen oder wenn man eben keins von beiden hatte, dann wurden einfach mit Geld die Stühle trocken gewischt. ;o) Naja wenn das Geld weniger als 0,1Cent wert ist, warum nicht.
Wie wir später bemerkten war diese ganze Aktion jedoch sowieso sinnlos, denn Sitzplätze werden überbewertet und warum sitzen wenn man auch 90 Minuten stehen kann?!
Aber das zeigt ja nur, dass die Stimmung gut war und das war sie wirklich! Allerdings muss man auch sagen, dass die Belarussen sich den Gegnern gegenüber nicht immer ganz fair verhalten haben. Sobald die Bayern mal etwas länger am Ball waren, wurde sofort gepfiffen und hinter uns ertönten Geräusche die wie eine Kuh klangen. Die eigene Manschaft wurde lautstark unterstützt.
War das Spiel doch mal etwas langweilig, gab es mal ebenl 10 Runden Laola-Welle durch das Stadion. :o)
Alles in allem ein Klasse Spiel der Belarussen mit einem verdienten Ergebnis!
Damit ihr es auch sehen könnt, gibt es hier noch die Sonderübetragung des ASFiB mit einigen der Highlights.
Viel Spaß!





Dienstag, 2. Oktober 2012

выигранный

gewonnen! 3:1 Bate gegen Bayern! Klasse Spiel, lustige Stimmung, geniale Momente und wer hats gefilmt?
Bald mehr!

Donnerstag, 27. September 2012

Поехали

Los geht's - Nachdem wir uns alle Projekte angeguckt haben, kann es losgehen. 7 Projekte+ Omas für 4 Freiwillige, es gab schon einen schlechteren Schlüssel, aber von gut ist auch das noch weit entfernt.

Ich werde 2 Tage der Woche im Kinderkrebskrankenhaus, 2  Tage im Kinderheim für Benachteiligte und 1 Tag in der Geschichtswerkstatt arbeiten.  Außerdem besuche ich noch einmal die Woche Oma Anna und habe dann hoffentlich neben dem Sprachunterricht noch etwas Zeit um auch die Mädels aus dem Erwachsenenheim für Benachteiligte regelmäßig zu besuchen.
Am Abend vorher war mir zum Glück noch nicht klar, dass am Morgen mein erster Arbeitstag beginnen würde, denn sonst hätte ich sicher schlecht geschlafen. Es macht Sorge, dass man die Sprache nicht beherrscht und immer wieder stellt man sich die Frage, wie das alles funktionieren soll. Auch der Gedanke, dass es schon viele Freiwillige vor uns mit ähnlich schlechten Sprachkenntnissen gut bestanden haben beruhigt dann nicht sehr. Auf jeden Fall konnte ich so wenigstens einigermaßen gut schlafen, um dann dennoch müde in den Tag zu starten. Die ersten 4 Stunden auf der Mädchenstation des Kinderheims, aufregend! Doch bevor es losgeht bekommen wir erst mal eine Einweisung, die ist zwar laut Johanna schon wesentlich ausführlicher als die Vorjahre aber dennoch nicht unbedingt hilfreich. Der erste Schock kommt als wir Philipp auf die Jungsstation bringen, denn dort sitzt ein Kind mit gefesselten Beinen angebunden an einen Stuhl und schreit. Viele der Jungs sind grade damit beschäftigt ein Computerspiel zu installieren, irgendein Ballerspiel, da sind sie ganz wild drauf.
Danach geht es auf die Mädchenstation. Am Anfang fühle ich mich nicht wohl. Ich sitze mit zwei Pädagoginnen und einem Mädchen(Sveta)  im Bastelzimmer und bastele Rosen aus Knetmasse während die Pädagoginnen ein Bild einpacken. Als dann Sveta auch noch geht, frage ich mich wirklich welche Rolle ich hier grade einnehme und ob für mich/fürs einpacken wirklich 2 Pädagoginnen nötig sind, wenn draußen jede Menge Mädchen etwas Abwechslung gebrauchen könnten. Zum Glück kommen dann einige Kinder in den Raum und ich muss meine Rosenproduktion nicht mehr alleine fortsetzen, sondern bekomme Hilfe. Gemeinsam macht das ganze doch auch viel mehr Spaß! Während ich knete, rolle und forme beobachte ich erstaunt wie präzise und wunderschön Sveta ihre Rosen formt und merke, dass meine daneben eher etwas mickrig und flädderig aussehen. Als dann auch noch ein Mädchen singt und ein anderes schnippst wird mir endgültig klar, dass sie eigentlich so vieles so gut können was ich nicht kann und es doch wirklich eine Frechheit ist, dass nur weil sie das „normale“ Leben vielleicht nicht so gut können, weggesperrt werden.
Auch an der frischen Luft umzäunen uns dicke Mauern über die man nicht gucken kann und wer das eingezäunte Mädchengelände verlässt wird mit harten Worten und einem (zu) festen Zug an der Kleidung wieder zurückbefördert. Manchmal aber ist es die Anstrengung nicht einmal Wert und andere Kinder müssen die „Jagd zurück“ in die Hand nehmen und dabei spielt die Hand buchstäblich eine große Rolle. Doch zumindest können die Kinder etwas raus, nur Schade dass man wegen des Essens wieder rein muss. Und schon ist mein 1. Arbeitstag beendet – Ich habe Hunger, Rückenschmerzen, bin müde und die Gedanken an das Gesehene lassen mich nicht los.
Noch lange und trotz starker Ablenkung durch den Besuch bei den Mädels aus dem Erwachsenenheim geht mir ein Kind nicht aus dem Kopf. Es heißt sie sei Autistin. Anfangs dachte ich sie sei vielleicht das Kind einer der Erzieherinnen, denn sie wirkt so normal. In ihrem Kleidchen mit der kleinen Palme auf dem Kopf, die sie sich selbst mit der Bürste wieder zurecht macht, wenn sie mal nicht mehr sitzt, wirkt sie nicht anders als ich es wohl als Kind getan habe. Genau erinnere ich mich noch an die Fotos von mir in meinem fliederfarbenen Kleid mit der Palme auf dem Kopf, vielleicht war ich damals noch etwas jünger, aber 1-2 Jahre später bin ich sicherlich genauso rumgerannt, wollte auf Bäume klettern, mit den anderen spielen und kuscheln. Der Unterschied: Ich bin mit meinen Geschwistern behütet in einer Familie aufgewachsen, wurde gefördert und auch wenn mal nicht alles so schnell ging wie bei anderen Kindern wurde mir geholfen; sie wächst in einem Kinderheim auf, wo viele bereits an Hospitalismus leiden und nie genügend Leute da sind um ein behütetes aufwachsen zu garantieren, ohne Eltern. Sie spricht nicht so wie andere Kinder in dem Alter, das stimmt, aber mit etwas Hilfe könnte sie fast „normal“ sein, würde beinahe in „unsere Welt“ passen, doch das wird nicht passieren.
Traurige Realität: Egal wie begabt die Kinder sind oder was für Fortschritte sie machen dort kommen sie nur raus um ins Erwachsenenheim gebracht zu werden.
Unsere Aufgabe ist es, den Kindern die Zeit so wunderbar und behütet wie irgend möglich zu machen, denn das haben sie mehr als verdient!

трамвай

Tram-So sieht Tram fahren in Belarus aus! ;o)

Addis Abeba Konzert in der Tram. Es war der Hammer! Tausend Dank an Johanna, dass sie uns das gezeigt hat!!!

Nur dabei, nur dabei, nur dabei, nur dabei....
Nudabei, nudabei, nudabei, nudabaaaaaaaaiiiiiiiiiiiiiiii....

:o)

Samstag, 22. September 2012

Проекты


Projekte - Jetzt sind wir bald eine Woche hier und neben der Stadt und den Menschen durften wir auch in einige unserer Projekte reinschnuppern. Die Projekte, ihre Vielfalt und ihr Zustand, aber auch die Menschen dort sind überwältigend. Sie freuen sich alle dass wir da sind und wir werden überall gebraucht.
Bisher haben wir 3 von 5 Projekten gesehen.

1)     Hessed – Hier geht es um Unterstützung für jüdische Bürger. Sie können sich in ganz verschiedenen Weißen integrieren. In der Einrichtung selbst gibt es verschiedene Veranstaltungen, wie tanzen, singen, basteln, etc. Aber auch  für den Alltag gibt es Hilfe; Essen, Medikamente werden bezahlt und wer nicht mehr aus dem Haus kann, bekommt Nahrungsmittel oder auch frische Bettwäsche gebracht. Außerdem gibt es hier die Möglichkeit die jüdischen Traditionen auszuüben und auch wieder zu erlernen. Während das Hessed sich eher um ältere Menschen kümmert, gibt es mit im Haus auch Einrichtungen für Kinder und Familien.

2)     Kinderkrebskrankenhaus – Das Krankenhaus wird durch österreichische Fördermittel finanziert und ich finde das merkt man auch, denn es ist in einem recht guten Zustand, zwar sind die Gänge lang und dunkel, aber der erste Eindruck war positiv. Wir arbeiten dort mit einer supernetten Pädagogin zusammen, die auch etwas deutsch kann. Vor allem werden wir wohl auf 2 Stationen tätig sein, einmal auf der Infektionsstation und dann noch auf der Station für ältere Kinder (7-30Jahre). Unsere Hauptaufgabe ist es mit den Kindern etwas zu machen; basteln, malen, spielen, etc. Hauptsache es wird nicht langweilig! Außerdem können wir uns ganz besonders um einzelne Kinder kümmern deren Eltern oder Großeltern nicht da sind; mit ihnen zu Terminen gehen und ihre Fähigkeiten weiter fördern. Was wir machen ist stark uns überlassen, wichtig ist nur, dass wir uns alle 4 gemeinsam etwas für Weihnachten einfallen lassen!

3)      Kinderheim für Benachteiligte – Die Kinder hier sind super! Sie sind unglaublich süß und freuen sich so sehr über unseren Besuch. Sie kommen angesprungen, umarmen und küssen uns, wollen auf den Arm und uns am liebsten gleich alles zeigen. Sie sind unglaublich glücklich, dass Johanna wieder da ist und alle erkennen sie. Sto eta? Jochanna! Jochanna! :o) Es ist einfach wundervoll wie sie einen sofort mit einbeziehen und einem ein breites Lachen ins Gesicht zaubern. Wir waren mit ihnen spazieren und etwas draußen spielen, es war wundervoll.  Doch so traumhaft sich das alles anhört muss man auch sagen dass es erschreckend war! Leider gibt es viel zu wenige Pädagogen für die vielen Kinder und auch die Ausrüstung ist knapp. Viele Kinder müssen den ganzen Tag im Bett liegen nur weil kein Personal und keine Ausrüstung da ist, dabei könnten sie noch so viel mehr, wenn man ihnen nur etwas helfen würde. In Deutschland ist ein wunder Babypopo schon ein Drama und das bloß gleich gewickelt wird wenn was in der Windel ist, hier ist das etwas anders: Der Staat rechnet mit einer Windel pro Kind pro Tag. Die Schwerbehindertenstation wirkt wie ein Abstellgleis für kaputte Züge. Mit 18 kommen die Kinder  in das Erwachsenenheim und dort sollen die Verhältnisse noch viel schlimmer sein.

Gebraucht werden wir hier wirklich, aber leicht wird das nicht!

Ein Glück, dass diese wundervollen Menschen noch so viel lachen können! <3

Dienstag, 18. September 2012

посеще́ние

Besuch - wer mich besuchen will bezahlt besser für sein Visum, denn die Registration von Menschen mit einem humanitären Visum ist echt zum kotzen!
Einen ganzen Tag von einem Amt zum nächsten gerannt und immernochnicht registriert. :o(

Montag, 17. September 2012

город митинг

Stadtrallye

Treffpunkt: Rote Kirche

1.Aufgabe: Macht ein Foto von euch auf dem Leninplatz vor seinem Denkmal.


2.Aufgabe: Zählt die Fenster der obersten Etage des Präsidentenpalastes.

 Lösung: Vorderfront 23

3.Aufgabe: In eurer Nähe befindet sich Kilometer Null, wie weit ist es nach Kiew?

Isvinjenjie, Dobre Djen, Gdje kilometre noll?

Lösung: 573km

4.Aufgabe: Vor einigen Jahren gab es in Minsk ein Unglück mit Wasser, wo war das und wiviele Menschen sind dabei ums Leben gekommen?

Gdje memorialnaja doska kathastropha woda? ;o)


Lösung: Nemiga, 53

5.Aufgabe: Macht ein Foto von euch vor dem Denkmal an den Sieg über Nazideutschland.



6.Aufgabe: Trefft mich (Johanna) an einem Ort über Minsk, mit ganz vielen Büchern unter uns.


Lösung: Nationalbibliothek


Zur Belohnung gab es einen tollen Ausblick über Minsk
und natürlich Wodka :o)

Erst wurde gemeinsam gegessen
und dann ging es noch auf ein richtig gutes Konzert!!!

Ein Lied zum reinhören folgt, es geht um die Sonne...

Sonntag, 16. September 2012

Ankunft

Geschafft!!! Nach fast einem Jahr warten, 2 Wochen intensiver Vorbereitung und 18 Stunden Zugfahrt bin ich angekommen. Minsk, Sonnenstadt der Träume, und an unserem ersten Tag hat sie geschienen, die Sonne!