Freitag, 22. Februar 2013

В деревне












Auf dem Dorf - An einem kalten Wintertag klingelt im 5. Stock einer 50-jahre Platte unter dem gelben, rauchdurchsetzten Himmel von Minsk um 5.30Uhr am Morgen mein Wecker. Eigentlich ist es noch viel zu früh - dunkel sowieso, aber heute fahren Julia, Philipp, Flo und ich mit Anna zu ihrer Familie aufs Dorf. Um 7.39Uhr geht unsere Reise mit dem Zug Grodno-Gomel los, 2 Stunden und viele verschneite Felder später, steigen wir bei strahlendem Sonnenschein in Babruysk (Бобруйск) aus. Es ist kalt, wohl um die -15°, aber die gefrorenen Äste der Bäume, der unberührte Schnee und die wärmenden Sonnenstrahlen verwandeln die ca. 250.000 Einwohner Stadt in eine verschlafene Märchenwelt. Der Eispalast (Schlittschuhhalle) und die Festung sind neben dem winterlichen Glanz und der Ruhe die diese Stadt an einem kalten Samstagvormittag ausstrahlt eher nebensächliche Attraktionen. Schließlich geht es mit der Maschrutka zum Markt, dann zu Fuß in den Supermarkt und schließlich zu Annas Tante nach Hause.
Dort werden wir unglaublich herzlich begrüßt und ganz unserer Geschlechterrolle entsprechend ;) Kochen wir Mädels während die Jungs im Wohnzimmer sitzen und Annas Tante und ihrem Onkel (dessen Frau ständig anruft, er soll gefälligst nach Hause kommen) erzählen müssen, wie sie denn so die belarussischen Frauen finden. Dann sitzen wir gemütlich auf den grünen Sofas, in dem mit Fotos übersäten Wohnzimmer essen unsere Nudeln und die leckere Torte von Tante Luba, trinken Tee und unterhalten uns während Tante Luba ihre Schwester besucht und Annas Bruder Andrei (er ist 17) etwas verschüchtert im Schlafzimmer vor dem Computer sitzt und sich bedienen lässt. ;o)
Um 18Uhr geht es dann mit dem Bus weiter aufs Dorf oder besser gesagt erst mal in den Wald, denn nach eineinhalb Stunden frostiger Fahrt werden wir irgendwo im nirgendwo mitten im Wald (in dem es laut Anna Füchse, Wildschweine, Hirsche, Elche und auch Wölfe gibt) ausgesetzt während das Mama-Luba-Taxi noch 6km weiter im Dorf steht. Also werden unsere durchgefrorenen Zehen jetzt ein bisschen aufgeheizt während wir unter dem Sternenhimmel im Mondschein mitten auf einer schneebedeckten, menschenleeren Straße im Wald Richtung Kolbawa (Колбово) laufen. Dann die Lichter eines Autos und wenig später liege ich auf der Rückbank des Autos quer über Julia und Flo und wir ruckeln die Straße entlang, vorbei an Häusern - immer wieder getrennt voneinander durch weite Felder.
Bei Anna zu Hause angekommen werden wir sofort auf den riesigen Ofen verfrachtet. Während unten gekocht und gebacken wird, sitzen wir oben auf den Kacheln und wärmen uns wieder auf, dann gibt es Essen: selbst gemachte Butter und selbst gemachten Käse, für die Nicht-Vegetarier Fisch und Fleisch und natürlich Gemüse und Brot. Zum Nachtisch gibt es Kuchen, Konfekt und Jagdbilder/-videos von Papa Viktor, der ist nämlich Jäger.
Schließlich geht es in die Banja, das ist die belarussische Form der Sauna. Natürlich selbst gebaut und auch viel schöner als Sauna, denn es ist feuchter. Für Flo ist es das erste Mal in der Sauna/Banja und so belustigt er uns alle als er mir (natürlich scherzhaft) sagt: „Lina, du schwitzt aber ganz schön; geht es dir gut?“ Nun schwitzen tun wir alle und wem es zu heiß wird, der darf ein wunderschönes Zipfelmützchen aufsetzen. Zum Abkühlen geben wir dann aber den Ton an und zeigen mal wie man nach der Sauna so einen richtigen Temperaturunterschied braucht in dem wir rausrennen, uns mit Schnee einseifen und uns sogar reinwerfen. So geht es eine Weile weiter, ein Aufguss nach dem anderen, kurz in den Schnee und dann wieder rein, vielleicht eine kleine Pause zwischendrin oder einmal auspeitschen. Denn in der Banja wird man mit Laubruten ausgepeitscht, das ist angenehm!
Am Ende duschen wir uns mit einer Mischung aus heißem Banjawasser und Schnee. Wir waren so lange in der Banja, dass wir jetzt nicht mehr rechtzeitig los kommen um in die Dorfdisko im Nachbarort zu gehen, also bleiben wir einfach zu Hause und gehen nach und nach alle schlafen.
Gemeinsam mit Julia schlafe ich auf einem Sofa, teile mir mit ihr eine Decke und freue mich wie ihre nächtlichen Kommandos für Ruhe sorgen. ;o)
Am Morgen schlafen wir lange, Papa Viktor ist schon seit 2 Stunden auf der Jagd, Mama Luba und Anna stehen schon seit 3 Stunden in der Küche, nur Andrei schläft noch länger als wir, sodass ich ihn dann wecken darf. Anna und er erinnern mich sehr an meinen kleinen Bruder und mich. Manchmal schimpft Anna mit ihm, macht ihm etwas Feuer unterm Hintern, aber eigentlich sind sie sehr süß zueinander, er passt auf sie auf. Jetzt kann ich es kaum abwarten, dass meiner kleiner und mein großer Bruder bald kommen!
Nach einem ausgiebigen Frühstück und Annas hoffen auf wärmeres Wetter (morgens waren es -26°) gehen wir raus die Tiere angucken. Es gibt 6 Jagdhunde -2 sind ganz lieb und 2 schnappen auch mal ein bisschen, einer springt hoch und will einem in die Nase beißen! – 5 Kühe, 2 Pferde, 2 Schweine, Hühner und Gänse.
Während wir dicke Jacken und Mäntel holen, werden die Pferde vor den Schlitten gespannt und schon bald geht es los Richtung Wald. Zu 6. Sitzen wir auf einem niedrigen mit Heu bedeckten Holzschlitten dick eingemummelt und mit Jacken zugedeckt, Andrei hängt hinten auf Skiern an einer Leine am Schlitten. Nach und nach probieren wir es auch alle mal. Flo hat anfangs noch etwas Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten, Julia sieht wie ein Hampelmann aus und schafft es keine 2 Meter ohne in den Schnee zu fallen, bei mir klappt es eigentlich ganz gut, aber bei einer kleinen Tiefschneefahrt lege ich mich auch richtig hin und auch Philipp bleibt nicht verschont. Durchgefroren aber glücklich und noch ganz fasziniert von dem wundervollen Winterwald im Sonnenlicht sitzen wir wieder auf dem Ofen und wärmen uns auf, knabbern Kürbiskerne, dann gibt es Mittagessen und bald sucht sich jeder von uns ein Eckchen zum Schlafen, ich bleibe auf dem Ofen. 
Nach dem Abendessen ist unser Wochenende dann fast schon wieder vorbei, mit Geschenken bepackt (Käse, Smetana, Marmelade und Kuchen) springen wir schnell in das Auto, haben kaum Zeit uns zu bedanken, denn plötzlich wird es in dem kleinen idyllischen Dorf hektisch – Papa Viktor und sein Kollege waren lange jagen, sodass wir jetzt geradezu über die Straße fliegen um rechtzeitig für unseren Zug in Babruysk zu sein.
Um 20 Uhr heißt es dann endgültig „Tschüss gute Landluft und Natur“, in einem nicht unbedingt warmen Zug geht es 3 Stunden lang zurück bis wir wieder im wunderschönen versmogden Minsk ankommen und auch gleich von einem Milizionäraufmarsch begrüßt werden. 

Und am Ende bleibt neben der Erinnerung an ein wunderschönes Wochenende nur der Traum von einem Freiwilligenwochenendhof auf dem Land und die Einladung im Sommer wiederzukommen!   




















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